Teamreise Krakau

Juni 2018 - Polen

Ein Bericht von Oliver Gartmann

Als Reisebüro-Mitarbeiter eine Destination für eine gemeinsame Teamreise zu finden, welche für alle Teilnehmer etwas bietet und doch gleichermassen für alle neu ist, stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Nach einem Brainstorming und zusammengetragenen Ideen sind wir für unseren diesjährigen Ausflug aber doch fündig geworden. Unsere Wahl fiel auf das im Städtereisen-Segment noch nicht allzu bekannte Krakau in Südpolen. Wie sich herausstellen sollte, war diese Entscheidung goldrichtig!

TAG 1: Wir landen am kleinen, überschaubaren Flughafen von Krakau und gelangen mit dem Taxi nach Kazimierz, wo wir unser Apartment gebucht haben. Der Stadtteil ist auch als Jüdischer Stadtteil Krakaus bekannt. Dies hat den Ursprung im 15. Jahrhundert, als der damals herrschende König Jan Olbracht die in Krakau ansässigen Juden an den Stadtrand nach Kazimierz umsiedeln liess. Darauf hin entwickelte sich der Ort an der Weichsel zum kulturellen und religiösen Zentrum der Juden in Polen.

Die Spuren dieser Vorkommnisse zeigen sich uns auf einer kurzen Rundfahrt mit einem Buggy, für den auch das Manövrieren in den engen Pflastersteingassen keine Probleme darstellt. Wir passieren die Jozefa-Strasse, in welcher nicht nur diverse, polnisch-jüdische Restaurants und kleine, mit liebe eingerichtete Ladenlokale anzutreffen sind. In dieser Strasse wurden etliche Szenen zum Steven-Spielberg Kinoklassiker „Schindlers Liste“ gedreht. Wir merken schnell, dass hier die Geschichte eine grosse Rolle spielt und sind bereits schon nach wenigen Stunden von dieser kleinen, schmucken Stadt begeistert. Auffallend sind die mit viel Liebe und Geschmack eingerichteten Innenhöfe. Hier zieren gepflegte Blumentröge und Kletter-Effeu die alten Backsteinwände und vermitteln ein gemütliches Flair. Wir lassen es uns nicht entgehen, uns in dieser Atmosphäre die landestypischen Piroggen schmecken zu lassen und dazu unser Wochenende mit einem Tyskie-Bier einzuläuten.

Es wird bereits Abend und wir befinden uns auf dem grossen Rynek Glowny, dem Hauptmarkt Krakaus. Umrahmt wird der grosse Platz von verschiedenen Kirchen und Palästen. Überragt wird der Platz auf der einen Seite vom Rathausturm, auf der anderen Seite von der gotischen Marienkirche. Zu jeder vollen Stunde öffnen sich die obersten Fenster des Hauptturmes und man kann den Hejnal, das polnische Signal des Triumpfes, hören. Dieses Trompetenspiel wird 365 Tage im Jahr zu jeder vollen Stunde gespielt und teilweise sogar von öffentlichen Radiosendern übertragen. Der Legende zufolge wurden die Töne zum ersten Mal kurz vor dem Angriff der mongolischen Tataren abgegeben und sollten die Bevölkerung Krakaus warnen. Noch während des Warnsignales wurde der Hejnal-Spieler von einem Pfeil tödlich getroffen. Zum Gedenken an jenen Trompeter wird auch heute noch nur bis zu jenem Ton gespielt, bei dem der todbringende Pfeil sein Ziel erreichte.

Nach einer für weibliche Verhältnisse „kurzen“ Shopping-Session essen wir eine Kleinigkeit und machen uns auf den gemütlichen Weg zurück nach Kazimierz.

TAG 2: Wir frühstücken in einem der unzähligen, mit viel Liebe eingerichteten Cafés in einer Seitengasse und staunen, wie leer die Stadt noch ist. Anschliessend spazieren wir durch die Gassen und überqueren den Fluss Weichsel. Wir gelangen in den Stadtteil Zablocie, auch als Juden-Ghetto bekannt. Im März 1941 wurden alle Juden der Stadt aus Ihren Häusern vertrieben und in diesen Stadteil südlich der Weichsel umgesiedelt. Dies ist auch der Standort der geschichtsträchtigen Fabrik von Oskar Schindler, welche wir besuchen. Zugegebenermassen ist der Rundgang durch die Anlage Schindlers etwas bedrückend und regt zum Nachdenken an. Man geht durch verschiedene Hallen und Räume der Fabrik, die für viele Juden das Überleben sicherten. Es ist ein beklemmendes Gefühl, über die teilweise mit Hakenkreuzen geschmückten Fliesen zu gehen. Die kleinen Details wie Originalbriefe, Mobiliar oder persönlichem Hab und Gut vertriebener jüdischen Familien sind Zeugen

des grössten Verbrechens an der Menschheit. Obwohl die Stimmung hier etwas gedrückt wird, ist ein Besuch auf jeden Fall empfehlenswert. Denn genau dieses dunkle Kapitel ist ein massgebendes in der Geschichte dieser Stadt.

Wir verlassen das Krakauer Ghetto und besuchen das imposante Wawel Schloss, von welchem aus man einen schönen Überblick über die Weichsel und die umliegende Region geniessen kann. Majestätisch ragen hier diverse Türme mit Kuppeln in den stahlblauen Himmel. Es ist heiss heute und wir entschliessen uns, eine kurze Fahrt auf der Weichsel zu unternehmen. Mit einem frischen, für die Stadt typischen Brotkringel im Magen besteigen wir ein kleines Sighseeing-Boot, welches wir uns mit ein paar polnischen Touristen teilen. Die Szenerie ist nicht so spektakulär, wie wir uns dies vorgestellt haben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der etwas in die Jahre gekommene Kapitän die Kommentare und Erklärungen zur Stadt nur in polnischer Sprache an die einheimischen Gäste richtet und dabei vergisst, den deutschen Kommentar ab Band einzustellen. Wir nehmen es locker und geniessen den Fahrtwind in unseren Gesichtern.

Es wird Zeit, sich wieder einmal kulinarisch etwas zu gönnen und so setzen wir uns wieder in einen gemütlich eingerichteten Hinterhof. Ein kühles, polnisches Bier ist zusammen mit Piroggen und polnischer Tomatensuppe, Kringel und ein paar Wraps genau das richtige. Man könnte hier stundenlang sitzen und geniessen.

Auf unserem Spaziergang zurück nach Kazimierz fällt uns einmal mehr auf, wie erstaunlich sauber die Strassen hier sind. Zumindest in dieser Hinsicht haben wir uns - offensichtlich fälschlicherweise - Polen und Krakau anders vorgestellt. Wir schlendern entlang gemütlicher Einkaufsstrassen, welche sich aber von den sonst bekannten Shopping-Meilen komplett unterscheiden. Grosse Marken und Bling Bling findet man hier kaum. Es herrscht trotz der überraschend grosser Menschenansammlung eine gemütliche Atmosphäre. Wir erreichen unser Apartment in Kazimierz und machen eine kurze Pause, bevor wir zum heutigen Abendprogramm starten. Public Viewing ist angesagt!

Wir finden uns in Mitten einer Ansammlung von gelben Trikots wieder und sind gespannt auf das heutige Schweizer Fussballspiel gegen Brasilien. Irgendwie sind wir als Helvetia-Fans massiv in der Unterzahl. Es ist aber sehr amüsant, die friedliche Menge zu beobachten und den Fangesängen zu zu hören. In der 50. Spielminute lässt aber das südamerikanische Temperament merklich nach, als die Schweiz zum 1:1 Ausgleich trifft. Es ist jedesmal spannend zu sehen, wie Sport Menschen aus allen Kulturen zusammenbringt und wieviel Herzblut einige damit verbinden. Uns jedenfalls hat die Vorstellung unserer Nati zu einem erfreulichen Abend verholfen.

TAG 3: Heute steht bereits wieder die Abreise an. Demzufolge hält sich das Programm in Grenzen. Wir frühstücken in einem etwas versteckten, alternativ eingerichteten Hipster-Café und schlendern anschliessend nochmals entlang der Jozefa Strasse durch Kazimierz. Die Shopping-Begeisterten nutzen die letzte Gunst der Stunde und der männliche Teil der Gruppe setzt sich gemütlich in eineGartenwirtschaft auf dem Hauptmarkt, geniesst das Produkt polnischer Braukunst und beobachtet die sorgfältig geschmückten Pferde-Gespanne, welche die hauptsächlich asiatischen Touristen in weissen Kutschen durch die gepflästerten Strassen der Altstadt ziehen. Noch einmal ertönen die Hejnal-Klänge, eine riesige Schar Tauben steigt auf und fliegt in Richtung Rathausturm.

Fazit zu Krakau: Eine auf jeden Fall sehenswerte Stadt, welche für alle erdenklichen Bedürfnisse etwas zu bieten hat. Man kann getrost behaupten, dass Krakau mit seinem Charme und seinem gepflegten Erscheinungsbild so manchem grossen, bekannten Städtereisen-Ziel das Wasser reichen kann.